Sendungsnotizen zum Nachlesen:
00:02:44 Beitrag zur Ausstellungsentwicklung un_sichtbar in MV
00:20:36 Begriffsklärung Pathologisierung von Transpersonen
Wenn Trans* Personen ihren Namen oder ihren Geschlechtseintrag ändern lassen wollen, wenn sie aufgrund ihres Trans*seins eine Hormonbehandlung oder OPs in Anspruch nehmen möchten, müssen sie sich in Deutschland eine Geschlechtsidentitätsstörung diagnostizieren lassen. Im ICD 10, der internationalen Klassifikation von Krankheiten, fällt die so genannte Störung der Geschlechtsidentität unter die Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen.
Viele Trans* Menschen fühlen sich dadurch stigmatisiert. Trans* ist keine Störung des Verhaltens oder der Persönlichkeit, sondern Teil der Identität. Dennoch ist es gängige Praxis, dass Trans*personen ein Jahr Psychotherapie machen müssen, bevor sie Operationen oder Hormoneinnahme bewilligt bekommen.
Die häufig angeführte Argumentation Trans* müsse als Krankheit deklariert sein, damit die Krankenkassen Hormone und OPs bezahlen ist vorgeschoben. Auch in anderen Fällen übernehmen Krankenkassen Behandlungen ohne eine Krankheit zu diagnostizieren. Ein Beispiel hierfür sind Schwangerschaften, die nicht als Krankheit gelten. Dennoch werden im Zusammenhang mit Schwangerschaften medizinische Leistngen bezahlt.
Übernächstes Jahr, 2018, erscheint das ICD-11, die Nachfolgeversion der aktuellen Diagnoseklassifikation ICD-10. Die Aufklärungs- und Lobbyarbeit von Trans*aktivist*innen hat bewirkt, dass Trans* im ICD-11 aus dem Abschnitt Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen gestrichen werden soll. Die Diagnose „Störung der Geschlechtsidentität“ soll durch eine neutralere Bezeichnung ersetzt werden. Vorgeschlagen ist die Bezeichnung Geschlechtsinkonkruenz, also Nichtübereinstimmung zwischen gefühltem und bei der Geburt zugewiesenem Geschlecht. Eine Empfehlung aus der Trans* Forschung ist der Begriff Geschlechtsidentitätsvarianz, der den Fokus auf die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten legt.
Denn Trans* Diagnosen basieren ist in der Regel immer noch auf einer Zweigeschlechterlogik und gehen von einer Transition von einem Geschlecht in das vermeintliche Gegengeschlecht aus. Ob sich daran im ICD-11 was ändert, bleibt fraglich.
Einen großen Teil des Aktivismus gegen die Pathologisierung von Trans*menschen leistet die internationale Kampagne Stop Trans Pathologization. Sie wird von fast 400 Gruppen und Netzwerken von allen Kontinenten unterstützt. Jedes Jahr im Oktober ruft sie zum internationalen Aktionstag gegen Trans*-Pathologisierung auf.
00:23:42 Veranstaltungstipps
Wir möchten euch an dieser Stelle auf eine Veranstaltung mit dem Schwerpunkt Gender und Gender studies hinweisen, die diesen Monat in Greifswald stattfindet.
Am 28.April findet um 15.00 Uhr im Krupp-Kolleg ein interdisziplinärer Workshop mit dem Titel „Theorie-Texte(n). Lektüre-Kulturen der Gender Studies“. Die Professorin Eva Blome unterstützt interessierte Workshop-Teilnehmende dabei die Texte Judith Butlers zu lesen und selbst schriftlich weiter mit diesen zu arbeiten. Eine gute Möglichkeit sich vertiefend mit einer der wichtigsten Theoretikerinnen der Gender Studies und Denkerin der Queertheorie auseinanderzusetzen und Anstöße für die eigene Arbeit in diesem Bereich zu bekommen. Die Veranstaltung findet statt am 28. April von 15.00-18.00 Uhr .
VORTRAG des IZfG Greifswald in der Kabutze: (Ver-)Kleidung im Spannungsfeld von (Geschlechts-)Identität und Begehren“ mit Clemens Räthel (Berlin)
„Kleider machen Leute!“ – heißt es nicht zu unrecht: Über die Codes der Kleidung gelingt es uns scheinbar einfach, Fragen nach Geschlecht, Klasse und häufig auch Alter zu beantworten. Was aber passiert, wenn Uneindeutigkeiten oder spielerische Drehungen dieses Koordinatensystem durcheinander bringen? Ausgehend von Beispielen aus der Theaterpraxis setzt der Vortrag die vermeintliche Unterscheidung zwischen Kleidung und Verkleidung in Bewegung, beleuchtet dabei das revolutionäre und vllt. gar utopische Potenzial vestimentärer Zwischenpositionen und deren Effekte.
00:25:30 Erfolgsmeldungen aus aller Welt
Wie ihr wisst (und wir schon teilweise berichtet haben), gibt es unzählige Nachrichten aus der Welt, die davon berichten, wie schwierig oder unmöglich, gar tödlich es sein kann, ein öffentliches Leben als LGBT-Person zu führen. Wir haben mal nach positiven und hoffnungsvollen Meldungen recherchiert und eine kleine Auswahl für euch vorbereitet..
(Erfolgs)Meldungen aus der Welt
Nepal:
Seit 2007 gilt das Land in Asien als eins der fortschrittlichsten für Transgender-Rechte. Die sogenannte “third gender-Bewegung” erwirkte zu dem Zeitpunkt die Entscheidung des obersten Gerichtes zur Einführung eines Trans-Personalausweises, auf dem beim Geschlecht die Kategorie “Other” gewählt werden kan, also eine 3. neben männlich und weiblich. Organisationen wie die NGO “Blue Diamond Society” kämpfen aber weiterhin für mehr Gleichberechtigung in den Bereichen Bildung, Beschäftigung oder Gesundheitsversorgung, für die es nach ihnen noch mehr braucht als nur den Trans-Personalausweis.
Argentinien:
Auch in dem lateinamerikanischen Land können die Menschen seit 2012 frei das Geschlecht wählen und dies ohne ein langwieriges Verfahren oder ein psychologisches Gutachten anerkennen lassen. Bereits im Jahr 2010 wurde Argentinien das erste Land Lateinamerikas und das 10. Land der Welt, was die gleichgeschlechtliche Ehe ermöglichte.
In Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires wurde außerdem vor Kurzem ein Gesetz für eine Trans-Quote eingeführt, nachdem Transgender-Menschen, Transsexuelle und Transvestiten in Zukunft bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt werden und 1 von 100 öffentlichen Angestellten künftig aus der Trans-Community kommen sollen. So sollen Trans-Personen besser in die Gesellschaft integriert und Vorurteile abgebaut werden. Allerdings ist momentan wohl noch unklar, wie das Gesetz umgesetzt werden soll. Noch wurde keine Stelle nach den neuen Bestimmungen besetzt.
Kenia:
Eine beeindruckende Einzelperson der LGBT-Bewegung Afrikas ist David Kuria, der 2012 als erster homosexueller Mann in Kenia für ein politisches Amt kandidierte. Er wurde schlussendlich gezwungen, seine Kandidatur zurückzuziehen, gilt aber als Pionier und Tabubrecher in dem ostafrikanischen Land, in dem Homosexualität als illegal gilt und als Verbrechen verfolgt wird. Trotz seiner kurzen politischen Karriere, konnte er der LGBT-Community in Kenia so eine stärkere Stimme verleihen.
Indien:
Nicht Politiker, aber Thronfolger der könglichen Familie im indischen Bundesstaat Gujarat ist Prinz Manvendra von Rajpipla, der als der erste öffentlich homosexuelle Prinz der Welt gilt. Nach seinem Outcome in einer Tageszeitung, wurde er von seiner Familie als Schande bezeichnet, gilt aber immernoch als Thronfolger. Er betreibt die wohltätige Organisation “Lakshya Trust” und sagt, dass “Rechte von Homosexuellen nicht in Gerichtssälen, sondern nur in den Köpfen und Herzen der Menschen gewonnen werden können”.
Einige der Geschichten entstammen dem Film “Out & Around”, der die Reise eines lesbischen Pärchens in 15 verschiedene Länder dokumentiert, in denen sie Protagonisten der LGBT-Bewegungen kennen lernten. Sie berichten, es sei leicht gewesen, viele positive Beispiele voller Hoffnung zu finden und haben festgestellt, dass sexuelle Gleichheit alles andere als eine westliche Erfindung ist!
00:30:25 Interview mit Gulya Sultanova aus St. Petersburg zur Situation von LGBT*Personen in Russland
Hallo, Gulya. Bevor wir zum Filmfestival kommen, erst einmal ganz allgemein: Wie ist die Situation von queeren Personen in Russland? Diskriminierungs ist also ein Thema, wie äußert sich das im Alltag? Euer Filmfestival, das „Side by Side“ international film festival versucht der alltgäglichen Diskriminierung etwas positives entgegenzusetzen, berichte doch bitte mal kurz über dieses Festival: seit wann gibt es euch, was macht ihr alles? Wie seid ihr auch über St.Petersburg hinaus aktiv? Wie sind die Reaktionen auf euer Festival? Was bewegt das Side by side international film festival? Wie sind die internationalen Reaktionen? Welchen Unterschied gibt es zu den Reaktionen aus Russland? Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit der Planung des side by side Festivals in diesem Jahr.
VeRa – verquer. Radio – läuft in allen ungeraden Kalenderwochen mittwochs um 22 Uhr & donnerstags 11 Uhr auf radio98eins.
Diese Sendung lief am 13. April 2015 auf radio98eins.