VeRa 032 Mobilität

Tourismus und Mobilität: Wer kann wohin? (2.Teil)

Viele von uns sind mobil und machen Auslandsreisen. Weltweit ist es ziemlich selten, dass Menschen ähnliche Möglichkeiten haben; nur wenige können so reisen wie es für uns zum Alltag gehört.
In unserer 2. Sendung zu Tourismus und Mobilität, geht es um Visafreiheit und Einreisebestimmungen in Deutschland, die Bedeutung des Reisepasses, Freiwilligendienste im Ausland (Volontourismus), Fotografie auf Reisen und die Frage wie sich unsere Mobilität durch E-Tickets und ähnliches verändern wird.

Die Sendung von VeRa, verquer. Radio wurde am 01.02.2017 um 22.00 Uhr produziert und gesendet.

Sendungsnotizen zum Nachlesen:

00:00:50 Bertolt Brecht - Flüchtlingsgespräche 1940/41

Der Pass ist der edelste Teil
von einem Menschen.
Er kommt auch nicht
auf so eine einfache Weise zustande
wie ein Mensch.
Ein Mensch kann überall
zustande kommen,
auf die leichtsinnigste Art
und ohne gescheiten Grund,
aber ein Pass niemals.
Dafür wird er auch anerkannt,
wenn er gut ist,
während ein Mensch
noch so gut sein kann
und doch nicht anerkannt wird.

00:05:07 Interview Aaron Scheid von der Organisation VisaWie?

Mehr Informationen findet ihr hier der Organisation zu VisaWie?, sowie zu dem Reisepassquartett.

00:16:25 Volontourismus

Anmoderation Beitrag Freiwilligendienste – Ein deutscher Reisepass öffnet viele Türen. Vor allem lässt er uns einfach zahlreiche Grenzen passieren. Auch für eine spezielle Form des Reisens, die sich in den letzten Jahren zu einem wachsenden Business entwickelt hat: der Volontourismus: Dazu ein Beitrag von Sophie.

Beitrag:

Abmoderation: Wer mehr über den Zugvögel e.V. erfahren möchte, kann sich auf www.zugvoegel.org informieren. Darum, dass Menschen aus anderen Ländern bei uns in Greifswald und Vorpommern Freiwilligendienstemachen können, kümmert sich der lokale Verein Turbina Pomerania…

00:23:07 Fotografieren auf Reisen / im Ausland

Anmoderation: Wir hören einen Beitrag über das Fotografieren auf Reisen, was wir wahrschenlich alle schon zur
Genüge getan haben. Der Tourist mit der dicken Kamera um den Hals, der alles und jede/n ablichtet, den haben wir alle
schon mal gesehen und vlt haben wir auch selbst schon mal beim Durchsehen unserer Urlaubsfotos gedacht, dass wir selbst lieber ungern in einer Situation wie der abgebildeten abgelichtet sein wollten.
Das Thema Fotografieren im Ausland – und hier zielen wir v.a. auf das außereuropäische ab – ist natürlich sehr vielschichtig und diskussionswürdig.
Im Beitrag hören wir Anregungen, inwiefern und warum es sich lohnt vor dem Abdrücken innezuhalten und ein paar Fragen zu beantworten, wenn wir mit unserer Kamera auf Reisen sind.

Hast Du auch viele Fotos gemacht? – Anregungen für bedachtes Fotografieren auf Reisen

(ein Beitrag mit Inhalten aus der Broschüre “Mit kolonialen Grüßen …Berichte und Erzählungen von Auslandsaufenthalten rassismuskritisch betrachtet“ – von glokal.eV)

Ich war im Urlaub. Die Kamera hab’ ich natürlich mitgenommen. Es war echt unglaublich! So viel, das ich versucht habe einzufangen, die Atmosphäre, wie authentisch das alles war!

…Wenn wir auf Reisen fotografieren, dann liefern wir das Fotografierte unserem subjektiven Blick und dem Blick derer aus, denen wir das Foto zeigen.
“Und dann haben wir eine kurze Pause gemacht, und da saß dieses Kind da am Straßenrand, das Kleine hat seelenruhig, alleine da gespielt…und plötzlich kam da dieser Welpe…”  +++ aaawww +++

Abgebildete werden zum Objekt gemacht, – Situationen in die wir uns gar nicht richtig hineinvesetzen können benutz um eine Geschichte zu erzählen. Eine subjektive, eine die unseren Erwartungen und die der anderen entspricht.
“Ach ja, das sieht ja aus wie im Katalog!” Fotos werden geschossen, um unsere Vorstellungen zu bestätigen.
“Das ist echt ein Motiv, wie ich es mir immer erhofft hatte!” Ich mache das Foto als Beweis. “Ja, das sah da wirklich so aus!”
Aber sind meine Fotos wirklich ein Abbild der objektiven Realität? “Neee. Natürlich drehe ich mich so hin, dass das Störende im Hintergrund nicht drauf ist. Ein Maserati, das passt doch jetzt gerade gar nicht in das Setting zu dieser Frau, die an der Straße Nüsse verkauft.”
Warum fotografiere ich das Eine, weil ich es unbedingt einfangen muss, und andere Dinge lichte ich mit Absicht nicht ab?
Will ich gar nicht das Bild erzeugen, dass in dieser asiatischen Stadt hier auch reiche Menschen leben, es bisweilen auch Dinge gibt, die wir zu Hause auch haben – und langweilt mich das, und will ich es deshalb nicht unbedingt in meiner Bilderkollage haben?

“Deswegen bin ich doch gar nicht hergekommen!”
Manche Bildkompositionen lassen sich auch auf kolonialer Fotografie wiederfinden. Von oben herab abgelichtete Indigene zum Beispiel – v.a. wenn Weiße mit auf dem Foto sind, werden diese oft in den Vordergrund gerückt, oder erhöht oder im Zentrum einer Gruppe Schwarzer dargestellt.

die Macht der wiederholten Bildes

Dadurch, dass Bilder immer wieder auf die gleiche Art auftauchen, haben sie eine große Macht.
Wenn ich im Ausland ein Foto mache, dann wird das immer davon beeinflusst sein, wie da wo ich herkomme bestimmte Bilder verstanden und benutzt werden, und welche Fantasien es zu bestimmten Bildern gibt.
Wenn ich zu Hause endlos mit den immer sehr ähnlichen Bildern aus dem Globalen Süden konfrontiert werde, mit denen zB Hilfsorganisationen werben, diese typischen Stereotypen Bilder, und wenn ich im Urlaub Motive finde, die diesen Bildern nahe kommen, dann bin ich doch versucht abzudrücken, wenn mir so ein bekanntes Motiv vor die Linse kommt!?!
Freilaufende Kühe in Indien, Lamas in Bolivien, die Frauen in bunten Saris in Indien…
“Ja, genauso will ich das haben!”
Letztendlich folgen wir in unserer bildlichen (wie schriftlichen) Darstellung des Globalen Südens oftmals vorgefertigten Bildern und reproduzieren diese dadurch.

Annerkennung des Rechts am eigenen Bild

Es ist verdammt unsensibel und kann übergriffig sein, sich einfach das Recht zu nehmen, alles und jede/n ablichten zu dürfen, ohne zu meinen, dafür um Erlaubnis fragen zu müssen.
“Und da hat das dieses Kind total süß und von dem Verkehr völlig unbeeindrukt am Straßenrand gespielt”
Das Recht am eigenen Bild oder Bildnisrecht besagt, dass jeder Mensch grundsätzlich selbst darüber bestimmen darf, ob und in welchem Zusammenhang Bilder von ihm veröffentlicht werden.
Aber auch wenn einer Veröffentlichung zugestimmt wird, heißt das nicht, dass ich einen Freifahrtschein habe, sorglos mit der Motivwahl oder der Verbreitung des Fotos umgehen zu dürfen.
Wenn ich die Namen der Abgelichteten nicht kenne, dann müssen diese umso mehr für eine unbekannte Masse, das Andere, Unbekannte herhalten, als wenn ich nach dem Namen, vielleicht der Geschichte der Person frage, sie kennenlerne…

Die Checkliste:

  • Warum ist es mir überhaupt wichtig das jetzt zu fotografieren?
  • Für wen mache ich die Fotos? Warum möchte ich genau dieses Bild aufnehmen und was möchte ich eigentlich damit zum
    Ausdruck bringen?
  • Sind die Menschen, die ich abbilden möchte, damit einverstanden?
  • Würde ich, wenn ich die andere Person wäre, es gut finden, fotografiert oder gefilmt zu werden?
  • Versuche ich, Menschen nicht auf ihre Funktion als „anders als wir“ zu reduzieren?
  • Achte ich darauf, nicht von oben zu fotografieren und Menschen dadurch kleiner erscheinen zu lassen?
  • Mache ich mir Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen mir als Fotograf_in und den Abgebildeten bewusst?